«Das schaffst du nie, es ist viel zu laut»

Kleiner Bub der ins Tal schaut

«Das schaffst du nie, es ist viel zu laut»

Die Burgerstube in Stalden ist bis auf den letzten Platz voll. Die Frauen vom Frauenverein servieren Bouillon, Käse, Brot und Wein. So ist es im Dorf nach einer Trauerfeier üblich. Es sind Angehörige, Arbeitskollegen, Nachbarinnen und viele Freunde, die an der Trauerfeier auf dem Friedhof von Irene Abschied genommen haben. In der Burgerstube hängen Bilder von Irene mit ihren Geschwistern, Nichten und Neffen.

Jetzt nach der Trauerfeier auf dem Friedhof werden viele Geschichten erzählt und es wird etwas laut in der gemütlichen Burgerstube.

Als Trauerrednerin will ich mich bedanken bei den Frauenvereinfrauen und allen, die sehr engagiert mitgewirkt hatten. Also mache ich mich bereit, um zu reden.

«Das schaffst du nie, es ist viel zu laut,» sagt Jorin (10) zu mir. Als Trauerrednerin bin ich gewohnt laut zu reden. Nun stehe ich da mit meinem kleinen Spickzettel in der Hand und neben mir steht Jorin.

«Doch doch, ich zeige dir wie das geht.»
Der Trick mit den zwei Gläsern, die ich sanft erklingen lasse, funktioniert glücklicherweise. Alle kennen den klirrenden Ton, von zwei leeren Gläsern – dann wird man ruhig, weil nämlich jemand etwas Wichtiges sagen will.

In der Burgerstube wird es rasch sehr still. «Siehst du, so macht man das,» sage ich zu Jorin. Er staunt, was mit kleinen Tricks möglich ist.

Schau dort die Wolke, da schaut Irene auf uns

Irene war Jorins (10) Tante. Er hatte sie sehr gerne. Er lernte bei ihr Skifahren und auch sonst vieles. Als Irene im Spital war und es sich abzeichnete, dass sie bald sterben würde, fragte Jorin seine Mutter: «Wo geht sie denn jetzt hin?» Karin,
Jorins Mama erklärte ihm, dass irgendwann der Zeitpunkt kommt, wo man über den Regenbogen geht, wenn man stirbt. Dass man dorthin zurückgeht, wo man hergekommen ist.

Zwei Menschen auf Ski
Irene und Jorin beim Skifahren

Es gibt Momente, wo Jorin seine Tante vermisst. Hie und da schaut er in die Wolken und sagt zu seiner Mama: «Schau dort die Wolke, da schaut Irene auf uns.» Wenn Mama weint, fragt er nach. Wenn er reden möchte, ist die Mama da, wenn er sich zurückziehen will, ist es auch gut.

Die richtigen Worte finden um mit Kindern über den Tod sprechen

Es gibt unzählige bunt illustrierte Kinderbücher in einfacher Sprache. Es wir erklärt was passiert, wenn jemand krank wird und stirbt.

Dieses Kinderbuch hat mich besonders beeindruckt.

Buch mit Regenbogen, einem Mädchen und Schmetterlingen
Buch Tante Tillys Tod

Tante Tillys Tod – Ein Kinderfachbuch übers Abschiednehmen

Die Erzählerin Lisa lebt mit ihren Eltern und dem kleinen Bruder Max zusammen. Tante Tilly wohnt bei der Familie. Sie ist krank und erklärt Lisa, weshalb sie eine Glatze hat und einen Turban trägt. Was der Blumenkohl Tumor macht, und was passiert, wenn man ihn mit Strahlen bombardiert.

Lisa spricht viel mit Tante Tilly und fragt alles, was sie übers Sterben wissen will.

Nachdem Tante Tillys Seele weggeflogen ist, wie ein Schmetterling sagt Lisa:

«Es tröstet mich ein bisschen, wenn ich weiss, dass ich Tante Tilly ab und zu noch winken kann.»

Kleines Mädchen Lisa aus dem Buch Tante Tillys Tod
Lisa beim Regenbogen aus dem Buch Tante Tillys Tod

Auszug aus dem Fachteil für die «Kleinen»

«Aber ich fühle mich immer noch hilflos, wenn einer meiner Lieben leidet und ich nichts dagegen tun kann!»

Verstehe ich gut. Geht mir auch immer noch so. Manchmal mehr und manchmal weniger. Aber ich weiss inzwischen, dass ich nie wirklich hilflos bin. Ich kann genau wie Lisa bei Tante Tilly einfach da sein. Tatsächlich da sein und mich daneben setzen, plaudern, lachen, weinen, zuhören, helfen, streicheln, massieren, schweigen, … Je nachdem, was dem anderen (und auch mir) angenehm ist, was er braucht…

Auszug aus dem Fachteil für die «Grossen»

Lassen Sie den Kindern ihren Raum zum Trauern. Kinder trauern anders. Ich mag das Bild des «Tränenpfützenhüpfens». Kinder trauern manchmal sehr intensiv und sind genauso schnell wieder mit anderen Dingen beschäftigt.

Quelle: Tante Tillys Tod, Britta Honeder und Mirella Herzina-Rusch Mabuse-Verlag
Das Buch kann bestellt werden bei der Buchhandlung zum Zytglogge und es ist in allen Buchhandlungen erhältlich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert