Christine bleibt am Grab ihres Ehemanns nicht alleine
Am Samstag ist in der Todesanzeige in der Zeitung zu lesen:
«In stiller Trauer haben wir auf dem Gemeinschaftsgrab in Oberhofen Abschied genommen von meinem lieben Ehemann und unserem lieben Schwager.»
Immer mehr Hinterbliebene möchten keine grossen Abschiedsfeiern mit vielen Trauergästen und langen Lebensläufen. Sie möchten sich still verabschieden und einen Moment erleben, der neben der Trauer in guter Erinnerung bleibt.
Auf dem Friedhof mit Blick auf den Thunersee und den nebelverhangenen Niesen, stand nun also an diesem Tag Christine am Grab. Bei ihr sind ihre Geschwister und ihre Schwager. Die kleine Gemeinschaft gibt ihr Halt in diesem schweren Moment. Die Bestatterin Sarah Reese brachte die Urne mit und der Friedhofgärtner trug sie zum Grab. Mit Christine habe ich abgemacht, dass es eine sehr kurze Rede gibt zum Abschied. Die roten Rosenblätter, die neben der Urne in einem Korb stehen, sind dazu da, einen Moment am Gemeinschaftsgrab verweilen zu können und eine Handvoll davon in den kleinen Brunnen zu legen. Die roten Blätter schwimmen auf dem Wasser.
Alle sind froh, dass sie im Anschluss an die Urnenbeisetzung an der Wärme noch eine Weile zusammen sein können. «Das hat zu Roland gepasst, keine langen Reden, eine schlichte kleine Feier,» sagten sie anschliessend.
Für Roland selber hätte es sogar gepasst, wenn nur Christine am Grab gestanden wäre.
Wie Christine sich entschieden hat, beim Abschied trotzdem nicht alleine zu sein und die Feier so zu gestalten, und wie es ihr dabei ergangen ist, erklärt sie in diesem kleinen Interview.
Dein Mann Roland wollte keine grosse Sache, für ihn hätte es gepasst, wenn nur du und die Bestatterin am Grab gestanden hätten. Wie hast du dich für diese Art des Abschieds entschieden?
Für uns beide war immer klar, dass es auch für das Zurückbleibende stimmen muss. Deshalb entschied ich mich meine Geschwister und Schwager zur Abschiedsfeier einzuladen. Als ich dann am Grab stand, war es für mich sehr wichtig, dass ich nicht alleine bin. Sie gaben mir viel Halt. Ich war froh, dass ich so entschieden hatte und so war es auch im Sinn von Roland.
Für viele ist das Lebensende ein heikles Thema. Habt ihr darüber gesprochen?
Roland und ich haben viel übers Sterben gesprochen. Manchmal kamen wir darauf zu reden, wenn wir etwas beobachteten. Einmal sassen wir draussen vor dem Haus und da lag ein toter Vogel, der von einer Katze erwischt worden war. Ich machte ein Gräbli und beerdigte den Vogel. Wir haben schon frühzeitig einen Vorsorgeauftrag geschrieben und uns immer wieder darüber unterhalten, was sein wird. Ich glaube das hat mir geholfen, nicht den Boden unter den Füssen zu verlieren, als Roland starb.
Du hast eine grosse Verwandtschaft und viele Freunde und Bekannte. Wie waren die Reaktionen auf den Entscheid den Abschied im kleinen Kreis zu machen?
Ich habe viel informiert, auch als Roland krank war. Freunde und Familie waren immer auf dem Laufenden. Sie haben es verstanden, als ich sagte die Urnenbeisetzung werde im kleinen Kreis stattfinden.
Machst du etwas mit Freunden und Freundinnen, die am Grab nicht Abschied nehmen konnten?
Mit Freunden plane ich ein Roland-Zmittag oder Znacht. Ob wir dann über Roland sprechen oder nicht werden wir sehen. Auf jeden Fall können wir Zeit miteinander verbringen und das ist sehr wichtig. An einer Trauerfeier mit sehr vielen Menschen wäre es nicht möglich gewesen mit allen zu reden. Mir gefällt diese Art mit Freunden «Abschied» zu nehmen und Erinnerungen auszutauschen besser.
Was empfiehlst du anderen?
Sprecht miteinander über eure Wünsche, auch wenn ihr noch jünger seid. Man weiss einfach nie, wann wir gehen müssen. Auch wenn es nicht einfach ist über das Lebensende zu sprechen. Es hilft sehr, wenn man voneinander weiss, was man denkt und was man möchte – wenn es dann soweit ist.
Entscheidet euch für das, was für euch richtig ist, auch wenn nicht alle verstehen, wenn sie nicht zur Trauerfeier eingeladen sind.