Zwei Abschiede in zwei Monaten

Mann an einer Klippe stehend

Zwei Abschiede in zwei Monaten

Erst starb der Vater, dann – ganz plötzlich – zwei Monate später auch die Mutter.

Wie geht man damit um, wenn das Leben sich gleich zweimal grundlegend verändert? Wenn die Tage gefüllt sind mit Entscheidungen, Organisation, Erinnerungen – und die Trauer kaum Platz findet?

Roland Giger hat genau das erlebt.
Im Gespräch erzählt er, was ihn in dieser Zeit getragen hat, warum eine würdevolle Abschiedsfeier so wichtig war – und was hilft, wenn man noch nicht wieder ganz im Leben angekommen ist.

Rita Scheurer:
Roland, du hast zuerst deinen Vater und kurz darauf deine Mutter verloren.
Wie ging es dir damit?

Roland Giger:
Vater und Mutter waren seit 40 Jahren geschieden und mein Vater lebte seit über 20 Jahren mit einer anderen Frau.

Der Tod meines Vaters kam zwar überraschend schnell, aber nicht völlig unerwartet. Er war schon länger schwächer geworden, wir hatten uns innerlich darauf vorbereitet. Trotzdem reisst es einen aus dem Alltag – mit allem, was danach kommt.

Der Tod meiner Mutter, nur zwei Monate später, hat uns dann völlig überrascht. Obwohl sie 87 war, gab es keinerlei gesundheitliche Anzeichen. Meine Geschwister und ich waren schockiert.
Zu dem, was wir mit dem Tod meines Vaters bereits zu tragen hatten, kam das nun noch obendrauf.

Rita:
Für deinen Vater hast du mit deinen zwei Geschwistern entschieden, eine Trauerrednerin zu engagieren.

Roland Giger:
Mein Vater hatte sein Leben lang keinen Bezug zur Kirche. Die Beerdigung seiner Mutter, also unserer Grossmutter, war sehr schlicht – ohne Rede, ohne Kirche, ohne Kapelle. Nur eine kleine Urnenbeisetzung im engsten Kreis. Für mich war dies nicht sehr würdevoll.

So wollten wir es für ihn nicht.

Wir wünschten uns eine Abschiedsfeier, zu der auch Freunde und Wegbegleiter kommen konnten. Einen würdevollen, wertschätzenden Rahmen, der eine gute Erinnerung hinterlässt.

Eine kirchliche Zeremonie hätte nicht zu ihm gepasst.
Wir wussten, dass es Trauerrednerinnen gibt – und weil wir dich kannten, mussten wir nicht lange überlegen. Es war ein grosses Vertrauen da. Wir wussten: Diese Feier ist bei dir in guten Händen. Im Grunde übernimmt die Trauerrednerin eine ähnliche Rolle wie ein Pfarrer – aber ohne festgelegte Rituale, mit mehr persönlichem Spielraum.

Rita:
Viele Menschen sind vor einer Trauerfeier sehr aufgeregt. Was hat dir geholfen, darauf zu vertrauen, dass es gut wird?

Roland Giger:
Meine zwei Geschwister und ich haben einfach entschieden, dass es so für uns stimmt.
Wenn ich an eine Trauerfeier gehe, bewerte ich nicht, wie sie gestaltet ist. Es kann ohnehin nie allen recht gemacht werden. Wichtig ist, dass es für uns drei Kinder gepasst hat – und das hat es.

Rita:
Deine Mutter war religiös – für sie war eine kirchliche Abdankung stimmig?

Roland Giger:
Ja, das war ganz klar.
Sie stammte aus einer katholischen Familie und hat uns Kinder früher regelmässig in die Kirche mitgenommen. Die Abdankung haben wir dann zusammen mit der Pfarrerin gestaltet – nicht als Kompromiss, sondern so, wie es für sie wirklich passte.

Rita:
Es gab nicht nur persönliche Abschiede, sondern auch den Abschied von deinem Elternhaus.

Roland Giger:
Ja, meine Geschwister waren Teenager, ich selbst war 20, als unsere Eltern das Haus gekauft haben.
Die Dinge darin sind nicht das Entscheidende – trotzdem frage ich mich manchmal, ob das Loslassen wirklich so einfach ist, wie ich denke. Ich glaube aber, ich kann es gut. Für die Frau meines Vaters ist das schwieriger – sie hat über 20 Jahre dort gelebt.

Rita:
Wenn du auf diese Zeit zurückblickst – es war viel zu tragen und zu erledigen.
Was hat dir dabei geholfen?

Roland Giger:
Mein Glaube. Auch wenn ich nicht jeden Sonntag in die Kirche gehe – er trägt mich. Und da ist meine Partnerin und Freunde, die da sind.

Ob ich schon wieder ganz im Leben stehe, weiss ich gar nicht. Ich bin noch im Aufbruch. Die Kraft kommt langsam zurück. Es braucht Zeit.

Was mir hilft, ist, Dinge abzuschliessen: das Haus verkaufen, ausräumen, aufräumen. Wenn das schnell geht, bringt das etwas Ordnung.
Ich bin seit zwei Monaten pensioniert, aber es fühlt sich noch nicht so an. Mit einem vollen Arbeitspensum wäre das alles nicht zu schaffen gewesen.

Rita:
Und es hilft, wenn man in der Familie gut zusammen reden kann.

Roland Giger:
Auf jeden Fall. Auch wenn noch nicht alles geklärt ist – ich habe das Gefühl, wir werden gemeinsam gute Lösungen finden.

Ein grosses Thema ist aktuell die Unterstützung der Witwe meines Vaters. Wir hatten bisher keine nahe Beziehung mit ihr. Neben der Trauer tauchen plötzlich praktische Probleme auf – und man weiss oft nicht, wie man sie lösen soll. Alles Administrative hat vorher mein Vater gemacht und sie ist damit überfordert.

Ein kleiner Wink des Schicksals war, dass sie die Wohnung meiner Mutter übernehmen konnte. Meine Eltern waren seit 40 Jahren geschieden und hatten kaum mehr Kontakt miteinander. Doch es hätte meiner Mutter entsprochen – sie war grosszügig und hat immer gerne geholfen. Sie starb genau in dem Moment, als wir dringend eine Wohnung für die Witwe meines Vaters brauchten.

Was wir aus Rolands Geschichte mitnehmen können:
Trauer lässt sich nicht planen. Manchmal kommt sie in Etappen, manchmal mit voller Wucht. Und doch gibt es Wege, sich darin nicht zu verlieren.

Ein bewusster Abschied – einer, der dem verstorbenen Menschen gerecht wird – kann Halt geben. Es geht nicht darum, es «richtig» zu machen. Sondern stimmig. Für die, die gehen und für die, die bleiben.

Man muss nicht alles allein tragen. Und man darf Entscheidungen treffen, die gut tun – auch wenn sie nicht der Norm entsprechen.

Und manchmal hilft schon der Gedanke:
«Du bist nicht allein mit dem, was du fühlst.»

Rita Scheurer

Ich bin Rita Scheurer, Trauerrednerin und Rednerin mit Kopf, Herz und Hand. Ich begleite Menschen in schweren Momenten dabei, Worte für das Unaussprechliche zu finden – mit einfühlsamen Abschiedsfeiern, Pensionierungsreden und persönlichen Lebensgeschichten. Mein Anliegen ist es, Erinnerungen lebendig zu halten und stimmige Feiern zu gestalten. Sei dies Willkommens- oder Abschiedsfeiern.
Möchten Sie Ihre persönlich Lebensgeschichte dokumentieren?
Dann nehmen Sie mit mir Kontakt auf. Ich beantworte Ihre E-Mail auf jeden Fall.

Bilder:
Trauerfeier Rita Scheurer
Portrait Roland Giger zvg
Portrait Rita Scheurer – Janosch Abel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert