Über die Endlichkeit nachzudenken, bringt Leichtigkeit

Über die Endlichkeit zu sprechen bringt Leichtigkeit

Über die Endlichkeit nachzudenken, bringt Leichtigkeit

«Dabei erlaubte ich mir, das Leben noch mehr als bisher im Jetzt zu leben. Dinge, die mir wichtig sind, jetzt zu tun, anstatt sie auf später zu verschieben. Mein Leben leben und nicht das von anderen. Ich begann, ganz vorsichtig die Endlichkeit zu umarmen. In kleinen Schritten und in meinem Tempo. Eine spannende Reise.»

Auszug aus: Und jetzt zeigst du uns, wie Sterben geht, von Julia Kalenberg.

Persönliche Erfahrung und Fachwissen

Kurz nach der Lesung von Julia Kalenberg, begann ich das Buch zu lesen.

Ihr Vater erzählte sie, hatte ihr als Kind sehr viel gezeigt. Und jetzt, würde er sterben und deshalb gab Julia Kalenberg dem Buch den passenden Titel: «Und jetzt zeigst du uns, wie Sterben geht – Sterben lernen heisst leben lernen.» Sie würde also von ihrem Vater zum letzten Mal etwas lernen können – diesmal, wie er mit der unabänderlichen Situation umgeht. 

Als ich zum ersten Mal von diesem Buch las, erinnerte ich mich gut an Julia Kalenberg.

Ich traf sie ein paar Mal an Netzwerkveranstaltungen. Sie war eine der Netzwerker:innen die mir sofort auffiel. Ihre ruhige, zugewandte und interessierte Art gefiel mir sofort. Ihr Interesse an Menschen und ihrem Tun wirkt wie ein Geschenk. Sie hört zu und spricht über ihre Ideen und Projekte, immer mit viel Leidenschaft. Das Buch steht mit einer Signatur von Julia auf meinem Büchergestell. Doch nicht wie andere Bücher, die man einmal liest und die danach leise Staub ansetzen, nehme ich dieses Buch immer wieder zur Hand und lese ein Kapitel. Viele Stellen sind markiert. Es ist weit mehr als ein Ratgeber. Es ist eine gelungene Verzahnung von persönlicher Erfahrung und hilfreichem Fachwissen.

Im Gespräch mit Julia Kalenberg

Du hast das unendlich wichtige Buch über das Sterben deines Vaters und weit darüber hinaus geschrieben. Wann hattest du die Idee es zu tun?

Julia Kalenberg: Während der Sterbebegleitung meines Vaters schrieb ich Tagebuch. Immer wieder dachte ich dabei – vielleicht lässt sich einmal etwas davon veröffentlichen. Nach dem Tod meines Vaters war ich mit drei Frauen auf einem Teil des Jakobsweges unterwegs. Sie hörten mir interessiert zu, als ich vom Tod meines Vaters erzählte. Sie hörten zu, ohne mich zu unterbrechen und ohne Ratschläge zu geben. Das war für mich ein grosses Geschenk. Sie ermutigten mich, darüber unbedingt ein Buch zu schreiben. Als ich später die Einleitung zum Buch meiner Nachbarin, einer Palliativärztin vorlas, fand auch sie, ich solle unbedingt schreiben.

«Sie hörten zu, ohne mich zu unterbrechen und ohne Ratschläge zu geben, das war für mich ein grosses Geschenk.»

Julia Kalenberg

Mir gefallen die drei Teile des Buches: Mutmachende Vorbilder, Chronologie des Abschieds und Versuche den Tod ins Leben zu holen. Es ist ein Buch, das ich immer wieder zur Hand nehme.

Julia Kalenberg: Im ersten Teil – Mutmachende Vorbilder, geht es um eigene Erfahrungen oder um Geschichten, die andere mit mir teilten. Das Thema interessiert mich schon seit Jahren. Ich hörte immer aufmerksam zu und war oft im Gespräch über Themen Sterben und Tod. Diese Geschichten machten mir Mut, als mein Vater im Spital war und die Lungenkrebsdiagnose erhielt.

Der zweite Teil – Chronologie des Abschieds, ist das Tagebuch der Sterbebegleitung. Da schildere ich wie wir in der Familie versuchten den Prozess zu gestalten. Was gut funktioniert hat und was auch nicht. Mir war es wichtig, auch die schwierigen Zeiten zu erwähnen.

Der dritte Teil – Versuche den Tod ins Leben zu holen, entstand während dem Schreiben. Oft erzählte ich über die Sterbebegleitung meines Vaters und auch über mein Buchprojekt. Dabei sagten viele, sie wünschten sich, so offen mit ihren Eltern übers Sterben reden zu können.

Einige dieser Geschichten sind im dritten Teil zu lesen.

Seit der Veröffentlichung hattest du viele Lesungen und weitere Projekte. Was hast du erlebt und was hat sich für dich verändert?

Bei den Lesungen gibt es jeweils sehr berührende Begegnungen. Ich staune wie persönlich die Fragen sind, die gestellt werden. Ich erhielt auch viele Rückmeldungen von Lesenden wie zum Beispiel von einer Führungskräftetrainerin aus Berlin. Sie schrieb mir: «Liebe Julia, ich sitze am Sterbebett meines Vaters. Mit der einen Hand streichle ich seine Hand. In der anderen Hand halte ich dein Buch, welches ich zum zweiten Mal lese. Es hilft mir sehr.» Sie getraute sich zum ersten Mal mit ihrem Vater wichtige Themen auf Augenhöhe zu besprechen. Sie sorgte auch gut für sich selbst während der Sterbephase des Vaters. Für solche Rückmeldungen hat es sich gelohnt, dieses Buch zu schreiben.

Du bist selbständige Unternehmerin, Trainerin und Coach. Wo siehst du Berührungspunkte zum Thema Abschied und Sterben?

Ich bin daran meine beiden Passionen Leadership und Endlichkeit zu verzahnen. Mit den Themen Leadership und Führen von Teams, habe ich einen Auftrag am KMU Institut der Uni St. Gallen. Wenn Führungspersonen und Teams darüber reden können, wie sie damit umgehen, wenn ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin in einer herausfordernden Situation ist, ist das ein Gewinn für alle. Es muss nicht zwingend ums Sterben oder die Endlichkeit gehen. Wenn sie ermutigt werden einen eigenen Weg zu finden, gelingt es eher, dass Mitarbeitende im Arbeitsprozess bleiben oder nach einer kurzen Abwesenheit wieder zurückkommen.

Wie sieht diese Verzahnung konkret aus?

Ich biete individuell angepasste Leseworkshops für Betriebe an. In einem ersten Schritt erzähle ich etwas zur Entstehung des Buches und lese Auszüge daraus vor. Danach diskutieren die Zuhörenden zum Beispiel erste Ideen, wie für sie ein nützlicher Umgang mit den Themen Sterben, Vergänglichkeit, Verletzlichkeit aussehen könnte und wie sie dazu beitragen könnten.

Was gibst du den Lesenden dieses Blogartikels mit auf den Weg?

Die Auseinandersetzung mit der Endlichkeit ist in meinen Augen nicht nur etwas Trauriges, es bringt auch Leichtigkeit ins Leben. Wenn man sich damit auseinandersetzt, verliert es den Schrecken. Wenn ich mich mit der Endlichkeit befasse, traue ich mich mehr mein Leben jetzt so zu gestalten, wie ich es wichtig und richtig finde.

Sprecht das Thema mit Angehörigen, Freunden und Nachbarn an. Versucht es. Wir müssen nicht perfekt sein und dürfen eigene Unsicherheiten zugeben. Wenn wir auf andere zugehen und versuchen es anzusprechen ist es in jedem Fall besser, als auszuweichen und es später zu bereuen. Wenn ich weiss, die Nachbarin hat eine Krebsdiagnose, dann kann ich auf sie zugehen und sie fragen, ob sie darüber reden möchte oder nicht. Es ist gut, wenn wir darauf vorbereitet sind, wenn jemand sagt, er/sie möchte darüber nicht sprechen.

Über Julia Kalenberg:
Geboren 1963, Studium Betriebswirtschaft Uni Nürnberg und Granada. Seit 1997 begleitet sie Teams und Einzelpersonen bei ihrer Entwicklung (v.a. Führungstraining, Teamworkshops, Coaching, Mentaltraining, Vorträge). Sie ist Referentin am Institut für KMU der Uni St. Gallen sowie aktives Mitglied bei Business & Professional Women. Sie ist verheiratet und lebt in Zimmerwald bei Bern.
Quelle: Klappentext des Buches Und jetzt zeigst du uns , wie Sterben geht.
Bild: Daniela Haldemann

Link zur Website https://www.juliakalenberg.ch/

Möchten Sie über die Endlichkeit sprechen und jemand an Ihrer Seite haben, der zuhört? Dann nehmen Sie mit mir Kontakt auf – ich werde Ihre Mail in jedem Fall schnell beantworten.

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