Wenn Worte fehlen
Oft fehlen uns die Worte. Vor allem, bei einem Trauerfall oder wenn jemand Nahestehendes eine schlimme Diagnose erfährt, kann uns das passieren. Was sagt man da?
Möglichkeiten wenn Worte fehlen – sind in diesem Blogartikel zu finden.
Vor kurzem hatte ich Kontakt mit einer Familie, deren Sohn mit 21 verunfallte und dabei ums Leben kam. Sie wollten mich als Trauerrednerin.
Beim Vorgespräch waren Vater, Mutter, Schwester, Partnerin und mehrere Freunde des Verstorbenen dabei. Mein erster Gedanke war: «Was soll ich jetzt sagen? Hier sind doch alle Worte fehl am Platz.»
Für mich ist es ein Glück, dass der Händedruck nach Corona wieder üblich und möglich ist. So konnte ich alle mit einer Geste begrüssen mit den Worten: «Mein herzliches Beileid.»
Als ich mich verabschiedete, sagte die Mutter des Verstorbenen zu mir: «Dieses Gespräch hat mir jetzt echt gutgetan. Schön war auch, dass wir über Erinnerungen lachen konnten.»
Zuhören und Nachfragen
Daraus schliesse ich, dass es wohltuend sein kann, wenn einem jemand zuhört. Die andere Seite ist: Wenn uns jemand etwas Belastendes erzählt, braucht es von unserer Seite keine grossen Worte. Wenn wir es schaffen Verständnis für die Gefühle und die Situation zu zeigen ist es weit mehr, als wenn wir die perfekten Antworten und Hinweise geben können. Zuhören kann in dieser Situation ein grosses Geschenk sein.
Es ist auch völlig in Ordnung, in solchen Situationen die eigene Unsicherheit zu benennen. Manchmal weiss man einfach nicht, was man sagen soll. Es ist normal, sich in solchen Situationen hilflos zu fühlen.
«Für das Miteinander-Reden und Sich-Verstehen sind vor allem zwei Dinge wichtig: Einerseits die Fähigkeit, dem Gegenüber zuzuhören und Anteil zu nehmen, andererseits aber auch die Gabe, sich selbst mitzuteilen und sich als Person zu zeigen.» schreibt Dr. med. Gabriele Vetsch im Buch von Julia Kalenberg.
C’est le ton qui fait la Musique
Ob wir mit einer ehrlichen Haltung eine Redewendung wie: Mein herzliches Beileid oder mein herzliches Mitgefühl sagen oder ob wir es einfach nur sagen, weil man es so sagt, macht einen grossen Unterschied. Es ist für das Gegenüber deutlich spürbar, ob es auch so gemeint ist oder nur so gesagt.
Ein Angebot machen
Sich in einer schwierigen Situation bei Freundinnen überhaupt zu melden, ist manchmal eine grosse Hürde. Aber wenn wir als Freundinnen, Nachbarn oder Arbeitskolleginnen ein Angebot machen, kann es angenommen oder abgelehnt werden. So könnte ein Angebot tönen:
• Magst du mir auf einem Spaziergang mehr erzählen
• Ich habe gerade eine Karottensuppe gemacht, möchtest du vorbeikommen
• Hast du Lust auf Kaffee und Kuchen – morgen Abend bei mir
Wenn die Zeit knapp ist – ein paar Möglichkeiten
• Eine persönliche Karte schreiben und per Post schicken
• Kleine Überraschung oder eine Nachricht schicken
• Anrufen
• Eine Kleinigkeit in den Briefkasten legen
Vermeide diese Fehler
Gut gemeinte Sprüche „aufsagen“
«Der Schmerz geht vorbei», «Das kommt wieder», «Es wird sicher alles wieder gut». Solche Sprüche, zeigen die eigene Unsicherheit. Und wir möchten nichts lieber, als dass es unserem Gegenüber wieder besser geht. Das geht aber manchmal nicht und wir müssen es aushalten. Schmerz nach einem Verlust oder nach einer schwerwiegenden Diagnose lässt sich nicht weg reden. Es wäre so, als wollten wir nach einem Knochenbruch die Heilung beschleunigen.
Gefühle abwerten oder minimieren
Nach einem schweren Ereignis kann neben der Trauer auch Wut aufkommen. Alles soll Platz haben, auch wenn wir Aussenstehende es nicht verstehen oder nachvollziehen können. Gerade dann ist es wichtig, dass wir weiter in Kontakt bleiben. Sich aus lauter Unsicherheit nicht mehr zu melden, ist keine Lösung.
Ratschläge geben
Manchmal wollen Freunde einfach nur jemanden der/die zuhört und keine Ratschläge oder grosse Geschichten von anderen hören, denen es gleich ergangen ist. Wenn jemand einen Ratschlag will, wird er/sie dich darum bitten.
Mit unseren Erfahrungen vergleichen
Versuche nicht, deine eigenen Erfahrungen oder Gefühle mit anderen zu vergleichen. Jeder geht mit schwierigen Situationen auf seine Art und Weise um. Es ist wichtig, dass du die Erfahrungen deines Gegenübers respektierst.
Auffordern, sich einfach zu melden
Oft können sich Menschen in einer schwierigen Situation nicht von sich aus bei jemandem melden. Oder sie wissen gar nicht so genau, was sie jetzt brauchen. «Sag mir, wenn ich etwas für dich tun kann.» Dies sagte ich zu einer Nachbarin, deren Partner kurz zuvor gestorben ist. Postwendend kam die Antwort: «Warts ab, vielleicht frage ich dich morgen Abend, was es bei dir Znacht gibt.» Diese Antwort hat mich zum Denken angeregt. Eine Stunde später schrieb ich eine Textnachricht: «Bei mir gibt’s morgen Abend Gschwellti und Salat, hast du Lust mit uns zu essen.»
Quelle:
Jetzt zeigst du uns wie Sterben geht von Julia Kalenberg
Beitragsbild: www.pixabay.com
Vielen Dank für die wertvollen Hinweise. Die eigene Trauer ist eine Herausforderung. Die Trauer „anderer“, auch die der eigenen Ehefrau, erfordert noch einmal eine andere Sensibilität, wenn ich wirklich helfen, begleiten möchte. Und das will ich.
Vielen Dank!!!
Lieber Alexander vielen Dank für deinen Hinweis. Das ist so, die Trauer kommt in Wellen und ab und zu werden wir überwältigt. Es gibt ein wunderbares Cartoon von Big Panda.
Tiny Dragon sagt traurig: „Ich kann meinen Weg aus diesem Loch nicht finden.“ Darauf lächelt Big Panda und sagt: „Dann werde ich zu dir kommen und eine Weile bei dir sitzen.“ So ist es wohl mit der Trauer. Wir können nichts beschleunigen.
Liebe Rita
Eine tolle Zusammenfassung für DO‘s und DON‘Ts. Die DON‘Ts kennen wir wohl alle aus eigener Erfahrung, wie unangenehm solches Verhalten auf einen wirken. Und die DO‘s? Es bleibt schwierig, mit der eigenen Unsicherheit umzugehen aber dass diese sein darf, ist wichtig zu lesen. Herzlichen Dank.
Danke Lisa, zur Unsicherheit zu stehen ist für mich in diesem Fall der ehrlichste Weg. Manchmal habe ich viel mehr Fragen als Antworten.
Liebe Rita, dein Artikel ist sehr wertvoll und hat mir gerade Aha Momente beschert. Zum Beispiel, das „sag mir, wenn ich etwas für dich tun kann“, das kenne ich von mir und mir wurde gerade bewusst, dass es auch anders möglich ist, nämlich mit einer konkreten Einladung.. einer Brücke für den Menschen, der wahrscheinlich gerade nicht weiß, was und wie ihm geschieht. Auch war ich kürzlich selbst konfrontiert, wie ich mit der Mama meines gerade verstorbenen Tanzpartners telefoniert habe. Meine Worte „Mein herzliches Beileid“ kam mir wie eine Floskel vor. „Man“ sagt das so. Ich hängte dann an, „das tut mir so von Herzen leid“ .. das waren meine Worte, die waren echter. Und ich glaube, dass es echte Worte braucht, nicht Floskeln, die in der Gesellschaft gängig sind. Echtes von Herzen. Toller Artikel. Vielen lieben Dank.
Danke Carmen – ich glaube auch auf die Echtheit kommt es an. Uns selbst bleiben zu dürfen mit allen Unsicherheiten.